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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 11.10.2006
Aktenzeichen: 1 B 386/06
Rechtsgebiete: GewO
Vorschriften:
GewO § 70 Abs. 30 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss
OVG: 1 B 386/06
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 11.10.2006 beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen -5. Kammer - vom 25.09.2006 wird - mit Ausnahme der darin enthaltenen Streitwertfestsetzung - aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller mit seinem Verkaufsgeschäft für Textilien (9 x 2,5 m) zum Bremer Freimarkt 2006 zuzulassen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
A.
Der Antragsteller betreibt eine "Event Stickerei" (Computerstickerei , Textil- und Warenhandel), mit der er als Schausteller auf Märkten auftritt. Er ist im Besitz einer entsprechenden Reisegewerbekarte des Landkreises Verden. Mit seinem Geschäft trat er in der Vergangenheit auch auf dem Bremer Freimarkt auf. Im November 2005 bewarb er sich um die Zulassung seines Verkaufswagen für den diesjährigen Bremer Freimarkt (13.-29.10.2006). Die Antragsgegnerin fertigte den Entwurf eines entsprechenden Zulassungsbescheids unter dem Datum des 08.05.2006. Der Entwurf wurde nicht mehr als Bescheid versandt, nachdem die Antragsgegnerin von einer Straftat des Antragstellers am 06.12.2005 erfahren hatte. Durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 19.05.2006 wurde der Antragsteller - ebenso wie seine Ehefrauwegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zum Nachteil der Schwiegermutter des Antragstellers zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Urteil ist wegen der Revision der als Nebenklägerin zugelassenen Schwiegermutter noch nicht rechtskräftig; der Haftbefehl gegen den Antragsteller vom 08.12.2005 ist außer Vollzug gesetzt. Mit Bescheid vom 27.08.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers zum Bremer Freimarkt 2006 ab, weil Tatsachen aufgetreten seien, die die Annahme rechtfertigten, dass der Antragsteller die für die beabsichtigte Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Zur Begründung wurde auf die Straftat verwiesen. Gegen diese Verfügung erhob der Antragsteller am 18.09.2006 Widerspruch, über den noch nicht entschieden worden ist. Zugleich beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht den Erlass einer auf Zulassung zum Bremer Freimarkt 2006 gerichteten einstweiligen Anordnung. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 25.09.2006 abgelehnt. Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des Antragstellers vom 09.10.2006.
B.
Die Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller wegen seiner Straftat nicht zum Bremer Freimarkt 2006 zuzulassen, ist ermessensfehlerhaft. Die Antragsgegnerin hat nämlich zu Unrecht angenommen, der Antragsteller sei unzuverlässig. Ohne diesen Ermessensfehler wäre der Antragsteller zum Freimarkt zugelassen worden.
Nach § 70 Abs. 3 GewO kann der Veranstalter eines Marktes aus sachlich gerechtfertigten Gründen, insbesondere wenn der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, einzelne Aussteller, Anbieter oder Besucher von der Teilnahme ausschließen. Die Antragsgegnerin hat das Ermessen, das ihr nach dieser Vorschrift eingeräumt wird, durch die "Zulassungsrichtlinie für den Bremer Freimarkt, die Bremer Osterwiese und den Bremer Weihnachtsmarkt" vom 19.Mai 2005 näher konkretisiert. Nach Ziffer 6.4. dieser Richtlinie können Bewerber u.a. auch insbesondere dann ausgeschlossen bzw. abgelehnt werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Bewerbers begründen.
Gegen die Rechtmäßigkeit dieses Kriteriums bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Der Veranstalter eines Marktes kann nicht gezwungen werden, seine Veranstaltung mit Risiken zu belasten, die darin bestehen, dass ein Marktbeschicker die erfolgreiche Durchführung der Veranstaltung gefährdet, weil er sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß ausübt. Die Prognose, der Marktbeschicker werde sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß ausüben, muss sich auf Tatsachen stützen. Diese Tatsachen brauchen zwar nicht im Rahmen des Gewerbebetriebes eingetreten zu sein, sie müssen aber gewerbe- und veranstaltungsbezogen in dem Sinne sein, dass sie die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden im Hinblick auf die konkret ausgeübte Tätigkeit in Frage stellen. Das gilt auch und gerade dann, wenn der Veranstalter die Unzuverlässigkeit aus der Verurteilung wegen einer Straftat ableitet (vgl. Wagner, Friauf (Hg.), Kommentar zur Gewerbeordnung, Rn 47f. zu § 70; Tettinger, in: Tettinger/Wank, GewO, 7. Aufl. 2004, Rn 31 zu §vgl. auch 70; entsprechend zur Gewerbebezogenheit einer Straftat als Voraussetzung für den Widerruf der Reisegewerbekarte VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 1989, 540 <541>).
Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Hannover und der sich daraus ergebenden Tatumstände bestehen zumindest erhebliche Zweifel, ob die Annahme gerechtfertigt ist, der Antragsteller - der nach wie vor im Besitz einer Reisegewerbekarte ist - werde als Beschicker des Bremer Freimarkts strafbare Handlungen begehen oder in anderer Weise Anlass zu Beanstandungen geben. Es spricht Einiges dafür, dass der - vorher strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene - Antragsteller die Straftat aus einer besonderen Situation heraus begangen hat, die ihre Ursache in einem lange aufgestauten untypischen familiären Konflikt hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist die - durch die finanziellen Forderungen der Schwiegermutter drohende - wirtschaftliche Existenzgefährdung des Antragstellers nur insoweit von Bedeutung gewesen, als "das Geschehen ... auf tragische Weise dadurch eskaliert" ist (S. 17 des Strafurteils). Die Situation, in der der Antragsteller seine Tat begangen hat, ist daher nicht mit dem "besonderen Konfliktpotential" des Bremer Freimarkts zu vergleichen, das das Verwaltungsgericht darin begründet sieht, dass viele Menschen auch zu später Stunde noch zum Teil auf engem Raum versammelt sind und dabei nicht unerheblich Alkohol konsumiert wird. Der Schluss des Verwaltungsgerichts , der Antragsteller werde "nach einer - im Marktgeschehen immer möglichen - böswilligen Provokation" nicht angemessen regaieren, erscheint daher nicht berechtigt. Dafür spricht insbesondere auch, dass der Antragsteller mit seiner Stickerei seit vielen Jahren am Freimarkt und an anderen Märkten teilgenommen hat, ohne in irgendeiner Weise Anlass zu Beanstandungen gegeben zu haben.
Fehlt es an einem hinreichenden Bezug der begangenen Straftat zu der gewerblichen Betätigung des Antragstellers auf dem Bremer Freimarkt, kann er nicht wegen Unzuverlässigkeit von der Teilnahme an dem Markt ausgeschlossen werden. Ohne einen solchen Bezug ist auch der Ansehensverlust für den Freimarkt, auf den die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren beruft, nicht zu befürchten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG.
Ende der Entscheidung
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